Hamburg nimmt kleine Fachkunde auf eigene Faust in Angriff
(Taxi Times) Da im Land Hamburg die dreijährige Schonfrist für P-Schein-Neulinge abläuft, der Bundesgesetzgeber aber noch keine Fachkundeprüfung eingeführt hat, hat die Bürgerschaft jetzt eine eigene Umsetzung beschlossen.
Der Antrag kam am 12. Juni von der SPD- und der Grünen-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft, dem Landesparlament der Freien und Hansestadt Hamburg, und war verständlich und nachvollziehbar begründet. Das lag unter anderem am guten Draht des Taxigewerbes zu den Politikern. Wie Jan Grupe, Vorsitzender der Taxen-Union Hamburg e. V. berichtet, hatten die – nach seiner Darstellung sehr Taxi-affinen – Abgeordneten Ole Thorben Buschhüter und Ali Şimşek, die sich auch häufig bei Veranstaltungen des Taxigewerbes über die aktuelle Lage informieren, sich des Themas angenommen, nachdem Grupe es angesprochen hatte. Auch Referatsleiter Dirk Ritter von der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende (BVM) hatte sich für eine Lösung in Landesregie stark gemacht.
Der Antrag, dem der grüne Koalitionspartner und die oppositionelle Linke sowie die CDU zustimmten, während AfD gegen ihn stimmte, hatte das Thema „Prüfung zum ‚Nachweis der Fachkunde’ für Fahrerlaubnis zur Personenbeförderung (Taxen, Mietwagen, gebündelter Bedarfsverkehr) einzuführen“.
In ihrer ausführlichen Begründung stellt die SPD zunächst fest, dass die Taxibranche seit Jahrzehnten ein wichtiger Bestandteil des Hamburger Verkehrs ist. „Taxiverkehr ermöglicht Mobilität an Orten und zu Zeiten, an denen kein eigenes Auto und kein ÖPNV vorhanden oder die Fahrt damit nicht praktikabel ist.“ Der Tür-zu-Tür-Service, den ein Taxi bietet, sei besonders für ältere Fahrgäste, für Fahrten mit Gepäck, für mobilitätseingeschränkte Menschen und Besucher der Stadt eine gern genutzte Option.
Zu den beförderungsrechtlichen Aspekten wird erwähnt, dass anstelle der Anfang August 2021 entfallenen Ortskundeprüfung im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) bzw. ein „Nachweis der Fachkunde“ für die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung (weiterhin für Taxen und neuerdings auch für Mietwagen und für gebündelten Bedarfsverkehr) gefordert wird. Der Bundesgesetzgeber habe hierzu seitdem allerdings keine konkreten Anforderungen an einen solchen Nachweis festgelegt.
In der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) heißt es in Paragraph 48, Absatz 4: „Die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung ist zu erteilen, wenn der Bewerber – falls die Erlaubnis für Taxen, Mietwagen und den gebündelten Bedarfsverkehr gelten soll – einen Nachweis der Fachkunde vorlegt. Der Nachweis kann durch eine Bescheinigung einer geeigneten Stelle geführt werden. Die geeignete Stelle wird durch die für das Personenbeförderungsgesetz zuständige oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht bestimmten Stellen bestimmt.“ So viel zum Bundesrecht.
Zudem wird in dem Antrag der SPD noch einmal auf die derzeitige Rechtslage auf Landesebene hingewiesen: „Bis eine bundeseinheitliche Regelung zur Ausgestaltung des sog. Fachkundenachweises vorliegt, gilt für das Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg vorläufig folgende Regelung: Wenn ab dem 2. August 2021 eine Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung (Taxen, Mietwagen, gebündelter Bedarfsverkehr) neu erteilt wird, erfolgt dies zunächst ohne den entsprechenden Fachkundenachweis erst einmal für drei Jahre. Mit der Einführung des Fachkundenachweises ist dieser verpflichtend, auch, wenn nach dem 2. August 2021 eine Fahrgastbeförderung erteilt worden ist. Sobald festgelegt ist, welche Stelle(n) in Hamburg für den Fachkundenachweis zuständig wird und das Ablegen einer Prüfung möglich ist, wird dieser in Hamburg bei Verlängerungen der Fahrerlaubnis vorzulegen sein. Der für die Ausstellung der Fahrerlaubnis zuständige Landesbetrieb Verkehr wird mit der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende den zeitlichen Übergang festlegen.“
Dieser Sachstand gelte seit nunmehr drei Jahren, und noch immer seien die Bemühungen um eine bundesweite Lösung nicht abgeschlossen. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) bzw. die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) habe zwar bereits einen Fragenkatalog ausgearbeitet mit den Schwerpunkten „Verkehrsverhalten“, „Sicherer Transport für Personen mit Beeinträchtigungen – Inklusionsverkehre“ sowie „Überfallsicherheit“, dieser befände sich jedoch noch in der Abstimmung mit den Ländern und den Gewerbeverbänden.
Momentan müssten angehende Fahrer daher für die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung (Taxen, Mietwagen, gebündelter Bedarfsverkehr) lediglich einen gültigen Führerschein und ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen und die gesundheitliche Eignung nachweisen. „Weitere Kenntnisse sind nicht erforderlich, weder aktuelles Wissen zum Straßenverkehrsrecht noch ein geschulter Umgang mit Fahrgästen – insbesondere den Fahrgästen mit Behinderung. Darunter droht mittelfristig die Qualität und Attraktivität der Branche zu leiden. Diese Situation ist weder im Interesse der Fahrgäste noch der Taxibranche, deren guter Ruf ihre wichtigste Visitenkarte ist.“
Daher sei es geboten, zur Erfüllung der Vorgaben des PBefG und des Fahrerlaubnisrechts und in Ermangelung einer bundesweiten Regelung diese aus Hamburg voranzutreiben und für den Fall, dass dies zeitnah nicht gelingt, zumindest eine Hamburger Lösung zum „Nachweis der Fachkunde“ zu etablieren, die die Qualität bei der Personenbeförderung sicherstellt.
Die SPD-Fraktion beantragte deshalb, dass die Bürgerschaft beschließen möge: „Der Senat wird ersucht, die Einführung einer bundeseinheitlichen Regelung voranzutreiben oder, falls dies nicht rechtzeitig gelingt, eine eigene Prüfung zum ‚Nachweis der Fachkunde’ im Sinne von § 48 Absatz 4 Nummer 7 FeV umzusetzen; sich dabei am bereits erarbeiteten Fragenkatalog des BMDV/der BASt zu orientieren; die geeignete Stelle im Sinne von § 48 Absatz 4 Nummer 7 FeV zu bestimmen; die Regelung des § 48 Absatz 7 FeV (Der Halter eines Fahrzeugs darf die Fahrgastbeförderung nicht anordnen oder zulassen, wenn der Führer des Fahrzeugs die erforderliche Erlaubnis zur Fahrgastbeförderung nicht besitzt oder die erforderliche Fachkunde nicht nachgewiesen hat) in Hamburg zeitnah umzusetzen; der Bürgerschaft bis zum 31. Dezember 2024 zu berichten.“
Diesen Antrag hat die Bürgerschaft gestern auf einer langen Sitzung mehrheitlich angenommen.
https://taxi-times.com/hamburg-nimmt-kleine-fachkunde-auf-eigene-faust-in-angriff/
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